Nach dem Ende der höfischen Falknerei in Deutschland verschwanden Falknerei und Beizjagd in Deutschland fast gänzlich aus den Gedanken der Menschen und dem Blickfeld der Jagdkultur. Die wenigen Informationen, die publiziert wurden, waren meist abenteuerliche Erzählungen aus England, wo die Falknerei die Französische Revolution überstanden hatte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts begann die kulturhistorisch interessierte Wissenschaft sich jedoch wieder verstärkt der Falknerei zuzuwenden. Als wegweisende Schriften des deutschen Sprachraums auf diesem Gebiet sind zu nennen: von Hammer-Purgstalls „Falknerklee“ (besonders aus der Sicht der Orientologie damals von großer Bedeutung), Hasslers Ausgabe des Mynsingertextes „Von Falken, Pferden und Hunden“, Riesenthals „Raubvögel Europas“, von Dombrowskis „Geschichte der Beizjagd“ und „Aucupatorium Herodiorum“ sowie nicht zuletzt Hector Schöpffers Übersetzung der ersten beiden Bücher von Friedrichs II. Falkenbuch „De arte venandi cum avibus“.
Die veränderte ethische Einstellung zu Tier und Jagd weckte landauf landab auch das Bewußtsein für den Schutz und die Erforschung der lange Zeit so bedenkenlos verfolgten Greifvögel. Daß die Greifvogelforschung ein geradezu ideales Beobachtungsfeld sein würde, wie im übrigen für die Tierpsychologie insgesamt, erkannte als einer der ersten der „Vater der Vogelberingung“, Prof. Johannes Thienemann, Rossitten.
Es war vor diesem Hintergrund, daß der Bielefelder Arzt und begeisterte Kynologe Dr. Dr. Friedrich Jungklaus seine Studien über die Kulturgeschichte der Falknerei in Deutschland aufnahm. Über seine Liebe zur mittelalterlichen Brackenjagd fand er Interesse auch an den Vogelhunden und der edlen Beizjagd, deren viefältiges Brauchtum und große Tradition ihn sehr faszinierte. Seine deutsch-nationale Gesinnung ließen ihn die Falknerei als ein germanisch-völkisches Nationalgut vermuten, in dessen Wiedergeburt er ein vortrefflich klärendes Bindeglied zwischen Orient und Okzident erkannte. Bald schon nach Ende des 1. Weltkrieges (1918) trat er in Kontakt zur Witwe Christoph von Biedermanns, um den falknerischen und handschriftlichen Nachlaß des Freiherrn für sich und zukünftige Falknergenerationen zu sichern. Jedoch nur ein Bruchteil war noch zu retten, weshalb Jungklaus wiederholt in öffentlichen Aufrufen den Verbleib der freiherrlichen Jagdbibliothek zu ergründen versuchte - indes vergeblich. Inspiriert von den Erzählungen Freifrau von Biedermanns begann nun auch Jungklaus sich mit ganzer Leidenschaft und aller Intelligenz seiner Bildung der Falknerei zu widmen. Als er sich im Herbst 1919 mit der ersten Ausgabe seiner „Beizjagd“ in der Jagdzeitschrift St. Hubertus an die jagdinteressierte Öffentlichkeit wendet, schließt er seine kurze Vorrede mit den Worten: „Ob es sich lohnt, diese Kunst, die unsere Altvorderen so beispiellos entzückte, weiterhin zu pflegen, überlassen wir dem Urteil des Lesers, den wir deshalb medias in res führen“. Daß er nicht im geringsten ahnte, welch großes Momentum seine Berichte „Die Falkenkammer - Eine Skizze von Beize und Stalldienst“, „Der berittene Beizjäger“ und „Holland, der letzte Zufluchtsort der hohen Beize“ beinhalteten, verdeutlicht eine Randbemerkung in der zweiten Ausgabe (1921) seiner kleinen Zeitschrift: „Unser 1. Heft der „Beizjagd“ im St. Hubertus Nr. 45 des Jahrgangs 1919 hat einen unerwartet starken Widerhall gefunden, indem uns zahlreiche Zuschriften zugingen, die teils Anfragen namentlich betreffs Gerätebeschaffung betreffen, teils dankenswerte Auskunft auf unsere eigenen Fragen [gaben], teils Beiträge jagdlicher, wissenschaftlicher und künstlerischer Art [waren]“.
Kaum mehr als vier Druckseiten beizjagdlichen Brauchtums und Falknereigeschichte bedurfte es, um die Initialzündung für die Renaissance der Falknerei in Deutschland zu geben. Die Druckfarbe war noch nicht ganz abgetrocknet, da erreichten Jungklaus schon die ersten Briefe von Gleichgesinnten, Greifvogelfreunden und Falknereiinteressierten, die ihm für seine Ausführungen dankten und ihn zu mehr ermunterten. Mit der Zeit entwickelte sich eine rege Korrespondenz u.a. mit Dr. Engelmann, Gera, Hermann Kreyenborg, Münster i. W., Renz Waller, Düsseldorf, Fabrikdirektor Hulverscheidt, Bad Liebenstein, und Graf Mensdorff-Pouilly, Chotélik Smidar. Sehr bald war man sich über die Notwendigkeit des Zusammenschlusses aller Interessierten am Gesamtgebiet der Beizvogelkunde - in Jungklaus' Terminologie: der Orneologie - im klaren.
Auf der Folgeseite ist das Titelblatt der „Beizjagd“ von 1919 abgebildet (Dateigröße 180KB). Zur Abbildung |