|
|
|
|
|
Der CHC Skytrail 2001
Auf der diesjährigen CHC-Tagung war der Skytrail für Samstag, früh um 7 Uhr, terminiert. Es war an diesem Morgen diesig, der Himmel war wolkenverhangen; gelegentlich regnete es leicht. 12 Teilnehmer waren gemeldet, die jeder für sich 15 Minuten Flugzeit hatten. Die Zuschauer versammelten sich entlang eines Feldweges, hinter dem Richtertisch, inmitten eines riesigen Feldes. Wohl gut 2 Kilometer in alle Richtungen behinderte kein Baum oder Strauch die Sicht. Es war offensichtlich, daß viele der Schaulustigen nicht zum ersten Mal einem Skytrail beiwohnten. Viele hatten Stühle dabei, manche Liegen, um entspannter die Falken in der Höhe mit dem Fernglas beobachten zu können. Ein mobiler Hähnchengrill thronte über der schier endlosen Schlange geparkter Autos und sorgte für Essen und Getränke. Aus einem großen Truck, direkt hinter dem Richtertisch geparkt, dröhnte stimmungsvolle Rockmusik. Jeder Teilnehmer hatte sein eigenes Lied bestimmt, unter dem er in die Arena einmarschierte. Amerika, wie es leibt und lebt! | |
|
|
|
Die drei Richter (in der Mitte Bill Murphy). Rechts: Skytrail als Familienerlebnis. |
|
Die ersten Falken wußten nicht recht zu überzeugen, vielleicht war es auch einfach noch zu früh am Morgen. Dem fünften Falken dann kam ein Schwarm Krähen unter, aus deren Mitte er sogleich eine Krähe schlug, was leider zur Disqualifikation führte. Als achter Teilnehmer trat Rick Sharp auf das Feld. Sein Falke gehört z. Zt. zu den besten Beizvögeln in den Staaten. Mehrere hundert Enten zählt die Strecke dieses Vogels bereits, noch tags zuvor war er auf der Tagung erfolgreich. Als vormaliger Sieger des Utah-Skytrails war einiges zu erwarten. Gut 50 Meter schritt Rick ins Feld hinein und ließ den Falken steigen. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Vogel sich gut aufgeschwungen hatte und über Rick zu stehen kam, jedoch zu niedrig. Rick ließ ihn weiter kreisen, in der Hoffnung, daß er noch etwas an Höhe gewinnen würde, indes vergeblich. Mit hochgestrecktem Arm signalisierte Rick das unmittelbar bevorstehende Werfen der Taube. Ganz plötzlich wurde es still im weiten Rund der Zuschauer. Alle Augen waren auf den Falken gerichtet, der leicht seitlich in den Wind versetzt über Rick anwartete. Mit einem lauten „Heeeeeyyyyyyy" war die Taube unterwegs. Der Falke kippte ab und kam wie ein Strich vom Himmel herab. Es dauerte gut 5 Sekunden, bis er die Taube erreicht hatte. Durch eine scheinbar winzige Rotation konnte sie dem Falken jedoch geschickt ausweichen. Dieser steilte auf und setzte sofort zum Nachstoß an. Jedoch hatte die Taube bereits volle Fahrt, weshalb der folgende Stoß flach ausfiel. Der Falke jagte nun im Horizontalflug nach. Fast war er dran, da drehte die Taube eine Kurve und jagte im Tiefflug in Richtung der Zuschauer. „Heia, heia" rief die Masse, um die Taube am fliegen zu halten, doch es half nichts, sie suchte unter einem Auto Deckung. Damit war der Flug vorbei. Jeder hatte nun stillzustehen, damit der zwischen den Beinen der Zuschauer gelandete Falke nicht verletzt würde. Rick eilte unter dem Beifall der mittlerweile gut 300 Schaulustigen herbei und nahm seinen Falken auf. Es war der bislang beste Flug. Wenn Rick trotzdem nicht zufrieden war, dann deshalb, weil er wußte, daß der Falke nicht hoch genug gestiegen war, um zu gewinnen. Er sollte recht behalten.
Als zehnter Teilnehmer trat ein echter Meister seines Fachs mit gelangweilter Gelassenheit vor die Jury: Dave Cherry, Gewinner mehrerer Utah- und CHC-Skytrails. Ich hatte ihn einige Minuten zuvor bei der Vorbereitung gefilmt und ihn dabei interviewt. Auch sein Falke wird täglich auf Wild geflogen, vornehmlich auf Sharptail-Grouse und Präriehühner. Auf meine Frage, wie sein Vogel denn heute so drauf sei, antwortete er stoisch: „Wie immer: Perfekt!" Dave verzichtete auf großes Tammtamm und ließ seinen Vogel am Richtertisch, direkt vor den Zuschauern los. Auch auf das Mitführen eines Fernglases verzichtete er, „weil der Vogel an einem solchen Tag wie heute eh in die Wolken steigt. Da hilft dann auch kein Fernglas". Bei solchen Sprüchen ist man natürlich schon gespannt, was da folgt. Um es gleich vorwegzunehmen: es war atemberaubend. Ich habe schon viele Falken fliegen gesehen, aber so etwas noch nicht! Der Falke war (per Hand gestoppt) in dreieinhalb Minuten außerhalb der Reichweite des Laserfinders (400 m) und nach einer weiteren Minute in den Wolken verschwunden. Es herrschte helle Begeisterung unter den Zuschauern. Die Jury schätzte später anhand der Dauer des Stoßes die Höhe aus den Wolken auf 600 Meter. Nach knapp fünf Minuten kam das Handzeichen und kurz danach die Taube. Der Falke hatte sich (außerhalb unserer Sicht) perfekt positioniert und kam in einem nahezu 90 Grad Winkel sprichwörtlich aus den Wolken gefallen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er die Taube erreicht hatte. Es war auffällig, daß der Falke die Taube nicht binden, sondern – wie von der Sharptailbeize gewohnt - niederschlagen wollte. Erst kurz vor dem Aufprall öffnete er die Schwingen für eine letzte Richtungsänderung. Es tat einen dumpfen Schlag, Federn stiebten, und man sah den Falken jäh aufsteilen. Die Taube ging zu Boden. Die Zuschauer grölten, aber zu früh. Der Falke stieß erneut hernieder und flog scheinbar über die am Boden liegende Taube hinweg. Diesen Moment nutzte die Taube, um in die entgegengesetzte Richtung aufzufliegen. „Aaaaahhhh", entriß es mancher Kehle. Die Taube war schnell außerhalb der Reichweite des Falken, der seine Chancenlosigkeit als erfahrener Beizfalke sogleich erkannte und beidrehte. Langsam kam Applaus auf, der bald stürmisch wurde. Dave hatte mal wieder allen die Schau gestohlen. Der erste Platz war vergeben. | |
|
|
|
Der Meister: Dave Cherry ... und der Drittplazierte: Joe Roy III. |
|
Ich unterhielt mich nach Abschluß des Events noch eine Weile mit Dave und Rick über das Wesen des Skytrails. Ich brachte meine Bedenken vor: lebender Vorlaß, den ich rundweg ablehne, und den wettkampfartigen Charakter der Veranstaltung, was überhaupt nichts mit Falknerei als Jagd zu tun hat. „Ja und? Was macht's?", war die einhellige Reaktion. Hier gingen die Meinungen natürlich auseinander, zu unterschiedlich sind die gesellschaftlichen und kulturellen Fundamente von Jagd und Tierhaltung in Amerika und Deutschland (mit unserer langen Tradition von Weidmännischkeit und jagdlicher Ethik). Gleichwohl fanden wir Übereinstimmungen, z.B. daß beide niemals einen Falken nur für Skytrails fliegen würden. „Das kann nichts werden, dafür sind die Vögel zu schlau", sagte Dave, und mit einem Augenzwinkern hinzufügend, „Oder was glaubst du, warum solche Events immer von guten Beizfalken gewonnen werden". „Ich bin Falkner", ergänzte Rick, „ich gehe so oft beizen wie ich kann, fast täglich, entsprechend fliegen meine Falken. Skytrails sind nur eine spaßige Nebensache".
Daß auch ich eine gewisse Faszination verspürt habe, gebe ich offen zu. Alles andere wäre gelogen. Gleichwohl bleibe ich in meiner generellen Ablehnung von Skytrails und lebendem Vorlaß zu Trainingszwecken standhaft. Alles andere ließe sich nicht mit meiner ethischen Überzeugung von Jagd, Falknerei und Tierhaltung in Menschenhand vereinbaren. Jedoch maße ich mir nicht an, über andere zu urteilen, die in anderen Kulturen aufgewachsen sind und in Ländern leben, in denen die Mensch-Tier-Beziehung noch eine andere ist, vielleicht noch eine natürlichere, als hierzulande. Wir deutschen oder besser mitteleuropäischen Falkner müssen in unserer eigenen Gesellschaft Akzeptanz finden und uns innerhalb deren moralischer Wertvorstellungen bewegen. Darin haben Vorlaß und Skytrails zu Recht keinen Platz (mehr). Wir betrachten Tiere als Mitgeschöpfe, und als solche töten wir sie nicht ohne Grund. Jagd (und Beizjagd) ist eine berechtigte Legitimation zum Töten. Vorlaß von jeglichen Tieren zu Trainingszwecken indes ist grundloses Töten. Und grundloses Töten ist moralisch verwerflich, deshalb auch zu Recht verboten, noch dazu es im Fall von Vorlaß gänzlich unnötig ist. [Übrigens: beim diesjährigen CHC-Skytrail wurde eine der zwölf vorgelassenen Tauben geschlagen] |
|
Datum der Veröffentlichung: 08. Januar 2002 |
|
|
|
|
|
|
|