|
|
|
|
|
Zu 1. [Weniger ist mehr]: Ein erster Kardinalfehler vieler Anfänger ist, daß sie sich vor lauter Begeisterung und Freude zu sehr mit ihrem neuen Vogel beschäftigen. Insbesondere in den ersten Tagen und Wochen ist in diesem Punkt strikte Selbstdisziplin gefordert. Es gilt der Grundsatz: Je häufiger man sich in der Frühphase des Abtragens mit (s)einem Vogel beschäftigt, desto mehr Fehler wird man machen. Dies gilt für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen, denn gewinnen kann man durch einen häufigen Umgang mit dem Vogel nichts! Langes Tragen ("Locke-tragen") ist ebenso überflüssig wie Streicheln, ständiges Den-Vogel-anschauen und dergleichen Übungen. Freunde und Nachbarn haben bei einem rohen Vogel ebenfalls nichts verloren, es sei denn, man will sich mit dem Vogel als solchem brüsten. Gönnen Sie dem Vogel zu Anfang ausreichende Ruhepausen, damit er sich an seine neue Situation und die neue Umgebung gewöhnen kann.Weniger ist mehr!
Zu 2. [Vorausplanend denken]: Vornehmstes Kennzeichen des erfahrenen Praktikers ist, daß er sein Handeln vorausplanen und die darauf zu erwartenden Folgen antizipieren kann. Das gilt gleichermaßen für die gesamte Saisonplanung wie die einzelnen Übungen während des Abtragens und Einjagens. Der erfahrene Falkner steckt sich ein Ziel, auf das hin er handelt. Er entscheidet sich bereits zum Ende der vorangegangenen Saison, welches Wild er im nächsten Jahr mit welchen Vogel beizen möchte (keinesfalls umgekehrt!). Er wählt dafür im Frühjahr den genau passenden Vogel aus und trägt ihn im Sommer Schritt für Schritt auf genau dieses und kein anderes Vorhaben hin ab. Der erfahrene Falkner also agiert (und reagiert nicht) und überläßt nichts dem Zufall. Er weiß vorher, was er mit seinem Tun erreichen will. Ebenso beim Abtragen. Auch hier fördert und entwickelt der erfahrene Praktiker nur solches Verhalten des Vogels, das seinen ganz speziellen Haltungsverhältnissen (z.B. Haltung in einer Reihenhaussiedlung, wo der Vogel tunlichst nicht lahnen sollte), Revierverhältnissen (z.B. stadtnah, hier sollte der Vogel nicht zivilisationsscheu sein) und Wildverhältnissen (z.B. Anwartefalknerei auf Flugwild in taubenreichem Umfeld) dienlich ist. Das geht natürlich nur, weil er vorher weiß, was er fördern will und was nicht, und weil er vorher weiß, wann am Tag und unter welchen Revierverhältnissen er den Vogel auf welches Wild fliegen wird. Und auch beim täglichen Umgang mit dem Vogel gilt diese goldene Regel: Nur wenn man genau weiß, was man beim Herantreten an einen abzutragenden Beizvogel von diesem will, wird jener es auch verstehen. Ist man sich dagegen in einem entscheidenden Moment nur für eine Sekunde unsicher, wird der Vogel es merken, vielleicht abspringen und die Übungseinheit mit einem Negativerlebnis beginnen. Testen Sie sich daher, und stärken Sie Ihr Selbstbewußtsein, in dem Sie meditativ den Abtrageprozeß, die Abfolge der einzelnen Schritte und alle erforderlichen Handgriffe und Übungen immer und immer wieder für sich durchgehen. Hinterfragen Sie Ihr Tun, beobachten Sie sich selbst, um Fehler an Ihrem Vorgehen zu entdecken. Wenn Sie meditativ das Herantreten an den Vogel, das Tragen und Wiegen, das Atzungreichen, das Einstellen in die Transportkiste usw. wieder und wieder üben, werden Sie bemerken, daß Sie im tatsächlichen Umgang mit dem Vogel sicherer werden. Nichts anderes macht nebenbei bemerkt der alpine Rennfahrer, wenn er vor dem Start mit geschlossenen Augen ein ums andere Mal in Gedanken die Piste abfährt, um sich auf das Rennen vorzubereiten. Und sicher und vorbereitet muß auch der Falkner sein, wenn er an seinen Vogel herantritt, ihn auf die Waage oder in die Transportkiste stellt, ihn an Wild wirft usw. Überlegen Sie sich vorher genau, warum Sie etwas wann, warum Sie etwas wo und wie von Ihrem Vogel abverlangen oder erwarten. Versuchen Sie mögliche Entwicklungen abzuschätzen, Störfaktoren vorher- und Einflüsse abzusehen, denn eines steht fest: Fehler beim Abtragen zu vermeiden ist um ein vielfaches einfacher, als einen eingetretenen Fehler wieder rückgängig machen zu müssen. | |
|
|
|
Beizvogel ohne Grenzen - der Habicht. |
|
Zu 3. [Konsequent handeln]: Konsequenz ist - wie gesagt - das Geheimnis beim Abtragen und Einjagen eines Greifvogels (wie überhaupt in der Tierdressur). Was ist damit gemeint? Ganz einfach: Machen Sie im Umgang mit Ihrem Greifvogel an jedem Tag, am besten zu jeder Stunde des Tages, immer das gleiche. Je gleicher desto besser! Nicht nur Sie müssen Ihren Beizvogels verstehen lernen, das Umgekehrte gilt im selben Maße. Geben Sie Ihrem Vogel also die Chance, durch stereotypes, für ihn leicht erkennbares Verhalten, angepaßt und ebenso erkennbar auf Sie zu reagieren. Konsequent angewendet, versetzt Sie das in die Lage, mit dem eigenen Verhalten, gezielte Reaktionen bei Ihrem Beizvogel zu provozieren, ohne auf die verstärkende Wirkung einer Belohnung (Atzung) angewiesen zu sein.
Wenn Sie das Abtragen vorausschauend geplant haben, werden Sie bereits heute wissen, daß Sie später mit ihrem Vogel z.B. am Morgen jagen wollen. Folglich werden Sie das gesamte Abtragen morgens durchführen (für andere Tageszeiten entsprechend mittags oder abends). Sie werden es mit eben derselben Jacke durchführen, die Sie auch später bei der Jagd tragen. Nach dem Herantreten nehmen Sie den Vogel auf immer dieselbe Weise auf, nicht heute so und morgen anders. Ist der Vogel aufgenommen, wird er auf die Waage gestellt, immer gleich, im selben Raum, ganz so wie in der Jagdsaison.Auch später, bei der Jagd, heißt es im Umgang mit dem Vogel konsequent zu sein. Erlauben Sie Ihrem Vogel nicht heute und morgen etwas zu tun, was Sie ihm übermorgen wieder verbieten. Werfen Sie Ihren Vogel im Revier nicht heute und morgen in den nächsten Baum zur "freien Folge" und wundern sich am übernächsten Tag, daß er - auf der Faust getragen - scheinbar unmotiviert abspringt. Wie soll der Vogel verstehen, daß er heute nicht in die Bäume darf? Inkonsequentes Verhalten bedingt Mißverständnisse, und Mißverständnisse führen zu Fehlverhalten - sowohl beim Falkner als auch beim Vogel. In einem Baum hat ein Habicht, Harris Hawk oder Rotschwanz nur etwas verloren, wenn gejagt wird. Sonst nicht! Gleiches beim Anwartefalken. Wer seinen Falken immer mal wieder auf gut Glück über einem Rübenfeld oder Stoppelacker zum Steigen wirft und dabei wiederholt kein Wild findet, erzieht seinen Falken unweigerlich zum Ausbrechen. Woher soll der Falke wissen, daß morgen Hühner hochgehen. Er wird nicht lange darauf warten. Anders ein Falke, der hundert Mal zum Steigen geworfen wurde, und hundert Mal vor dem Hund ein Huhn hochgemacht bekam. Selbiger wird beim 101. Flug, wenn der Hund ausnahmsweise mal leer vorsteht, auch nach einer halben Stunde noch himmelhoch anwarten, denn bislang kam ja immer noch etwas zum Vorschein. Die Beispiele ließen sich endlos verlängern, jedoch wichtig ist das Prinzip zu verstehen: nur auf konsequentes und immer gleiches Verhalten des Falkners wird ein Beizvogel mit ebenso gleichem und berechenbarem Verhalten reagieren. Falkner und Beizvogel verständigen sich vornehmlich über optische und akustische Signale (über andere Kommunikationswege später mehr), nicht anders wie wir Menschen im Straßenverkehr. Und hier wie dort gilt: wenn alle die Regeln befolgen, sind Unfälle (Mißverständnisse) nahezu ausgeschlossen. "Rote Ampel" heißt Stop, das weiß jedes Kind: und zwar heute, morgen, nächste Woche und noch in zwanzig Jahren. Ebenso einfach, weil signalgesteuert, kann die Kommunikation in der täglichen Falknerpraxis sein, vorausgesetzt der Falkner hält sich mit eben derselben Konsequenz wie im Straßenverkehr an die kommunikativen Regeln.
Wichtigstes Hilfsmittel in der Kommunikation zwischen Falkner und Vogel ist die Atzung; Atzung entweder in Form eines fleischigen Fauststücks, eines bestückten Federspiels oder später im Jagdbetrieb in Form des lebendes Wildes, das der Vogel zu seiner Sättigung fängt. Über die Atzung, und zwar nur (!) über die Atzung, ist es dem Falkner möglich, mit einem rohen, unabgetragenen Greifvogel zu kommunizieren. Anders als bei Hund oder Katze ist eine Einflußnahme durch z.B. die Stimme oder Körperkontakt beim noch instinktgesteuerten Greifvogel nicht möglich, ergo auch keine weitergehende, komplexe Reglementierung über z.B. den Entzug von Sozialkontakten oder Zwangsmaßnahmen. Die Atzung ist tatsächlich die einzige direkte Motivationshilfe, die der Falkner anfänglich im Umgang mit seinem Greifvogel zur Verfügung hat (später kommen weitere sekundäre, mittelbare, erlernte Signale hinzu). Dem überlegten und geschickt dosierten Einsatz der Atzung kommt daher eine fundamentale Rolle beim Abtragen zu. Wegen eben dieser großen Bedeutung sei hier vorgreifend auf nachfolgende Ausführungen ein Grundsatz des Abtragens, ja ein Grundsatz im Umgang mit einem jeden Greifvogel gleich welchen Alters und Abtragezustandes vorangestellt: Unter keinen Umständen darf einem Greifvogel Atzung, die er in den Fängen hält, abgenommen oder gar entrissen werden. Das Wegreißen von Atzung, in welcher Form und wie immer geschickt (anscheinend) auch durchgeführt, ist ein Kardinalfehler in der Falknerpraxis, den es in jedem Fall zu verhindern gilt, zumal im Anfangsstadium des Abtragens. Tatsächlich ist das Wegziehen von Atzung die alleinige Ursache für die allseits bekannten, nicht sexuell bedingten Fehlverhalten bei Beizvögeln, nämlich das Manteln, Schlagen und Leiten. Es gilt das oben Gesagte in abgewandelter Form: auf konsequentes und immer gleiches Fehlverhalten des Falkners wird ein Beizvogel mit ebenso immer gleichem Fehlverhalten reagieren. Ein Habicht (als Beipiel), der ständig das Fauststück entrissen bekommt, wird manteln und nach der Hand des Falkners schlagen, die ihm seine "Beute" streitig machen will. Ebenso wird ein Habicht, dem jedes geschlagene Stück Wild entzogen wird, manteln und aggressiv reagieren. Wenn es ihm möglich ist, wird er seine Beute in einen Busch zerren (dabei früher oder später seinen Stoß verbinzen) oder die Beute gar leiten. All das passiert nicht, wenn man dosiert mit der Atzung umgeht, und einem Vogel immer nur soviel Atzung anbietet, wie er im gegebenen Moment aufnehmen soll und darf. Dies gilt insbesondere beim rohen Greifvogel, denn ein zweiter Grundsatz lautet: Der abzutragende, rohe Greifvogel steht nur solange auf der Faust, wie er kröpft. Dieser Grundsatz gilt ausnahmslos bis zum zweiten Freiflug (der der erste Jagdflug ist). Je nach Art und Menge der dargebotenen Atzung sind das (anfangs) wenige Minuten bis (später) eine halbe Stunde am Tag ... mehr nicht. |
|
Datum der Veröffentlichung: 12. Dezember 2001 |
|
|
|
|
|
|
|