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| | | | | | Links: Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt präsentiert sich mit Gerfalken von Josef Wolf. Rechts: Ein Blick in die Ausstellung. | | Die Ausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, Wirkungsstätte des jungen Künstlers von 1842 bis 1847/8, präsentierte 80 Gemälde, Zeichnungen, Grafiken und Buchillustrationen Wolfs, die seine Malerei über mehrere Jahrzehnte und in ihrer ganzen Breite zwischen wissenschaftlicher Zeichnung und dramatisiertem Ölgemälde vorstellten. In Ergänzung waren ausgestopfte Vögel in Vitrinen und in der Saalmitte – als Blickfang - ein imposantes Gorilla-Präparat zu sehen. Es war Wolf, der 1858 den ersten, als beschädigten Kadaver nach Europa gekommen Gorillakörper für die Royal Zoological Society zeichnete. Insgesamt gefiel die Darmstädter Ausstellung durch eine vornehm dunkle Architektur, die die ausdrucksstarken Gemälde in ihre Wirkung auf den Betrachter nicht behinderte.
Aus falknerischer Besuchersicht waren es im besonderen Wolfs imposante Falkengemälde, die begeisterten. Zu sehen waren einige Original-Abbildungen aus dem "Traité de fauconnerie", sowie verschiedene Ölgemälde mit Ger- und Wanderfalkenkompositionen. Als absoluter Höhepunkt mußte jedoch das monumentale Beizjagdgemälde "Kite-Hawking" angesehen werden, das über 40 Jahre als verschollen galt und erst wenige Monate zuvor per Zufall in einer Garage auf Long Island wiederentdeckt wurde. Drei mal zwei Meter groß zeigt es zwei weiße Gerfalken auf einen Rotmilan stoßend. In leicht veränderter Form, mit Schwerpunkt "Traité de fauconnerie", ist die Joseph-Wolf-Ausstellung seit 15. Februar (bis 3. Mai 2001) im Nationaal Natuurhistorisch Museum (Naturalis) in Leiden, Niederlande, zu sehen. Vom 1. Juni bis 31. Juli wird sie im The Natural History Museum in London, und ab September 2001 im National Museum for Wildlife Art, Jackson Hole, USA, ausgestellt sein. | | | | | Der hochwertige Katalog zur Ausstellung. | | Der Ausstellungskatalog Zur Ausstellung erschien ein zweisprachiger (deutsch/englischer) Ausstellungskatalog, der in jeder Hinsicht höchsten Ansprüchen genügt: Karl Schulze-Hagen/Armin Geus, Josef Wolf - Ausstellungskatalog. 2000. 372 S., 287 Abb., davon 226 in Farbe, gebunden, 30x22 cm. Neben den zahlreichen, brillant widergegeben Bildern, viele mit Greifvogel-, insb. Falkenmotiven, finden sich auch ganz neue Textbeiträge zum Leben und Wirken von Wolf, u.a. ein langer Artikel über Wolfs Beitrag zum "Traité de fauconnerie". Der Preis des Kataloges beträgt EUR 75,70. Direkt zu diesem Titel bei FALCONARIA.
Wer war Joseph Wolf? - eine Kurzbiographie Josef Wolf wurde am 22. Januar 1820 in Mörz, einem kleinen Eifeldorf, etwa 20 km südwestlich von Koblenz gelegen, geboren. Der Vater Anton, Bauer und Vorsteher der Dorfgemeinschaft, war ein ruhiger, von preußischen Tugenden gelenkter, wenig emotionaler Mensch, dessen einzige Sorge darin bestand, jährlich ein gute Ernte einzufahren und dafür einen hohen Preis zu erzielen. Mutter Elizabeth, die gute Seele der Familie, sorgte mit großer Herzenswärme für eine liebevolle Erziehung der Kinder. In diesem typisch kleinbäuerlich-ländlichen Umfeld schien der Weg des jungen Josef vorgezeichnet: als das älteste von fünf überlebenden Kindern war er dazu bestimmt, den elterlichen Hof zu übernehmen. Es zeigte sich jedoch schon bald, daß seine Interessen und Neigungen dieser seit jeher währenden Tradition entgegenstanden: bereits in sehr jungen Jahren entwickelte er eine große Liebe zur Natur. Und alsbald begann eine weitere Leidenschaft in ihm zu reifen: mit großer Hingabe und Liebe zum Detail versuchte er das draußen Gesehene in der häuslichen Stube zu reproduzieren, zunächst in Form von Scherenschnitten, später mit Stift und Pinsel. Sein Drang nach möglichst naturgetreuer Darstellung ließ ihn danach streben, die Objekte seiner Begierde, insbesondere die von ihm so sehr geliebten Vögel, auch aus der Nähe zu studieren. Da ihm anfangs das väterliche Gewehr noch verboten war, begann er mit dem Vogelfang. Ausgestattet mit großer Geduld und enormem Einfallsreichtum entwickelte er sich schnell zu einem erfolgreichen Fänger, und fortan sah man ihn - sehr zum Unwillen des Vaters - nur mehr selten ohne lebendes Modell. Überhaupt war der alte Herr nicht eben angetan von den Neigungen seines Zöglings, und so setzte es manche Ohrfeige, wenn der Vater seinen Sohn mal wieder anstatt bei etwas "Nützlichem" beim Portraitieren eines Vogels erwischte. Doch trotz des wenig ermutigenden Verhaltens seitens des Vaters stand Josefs Entschluß fest: er wollte Künstler werden. Zur Realisierung dieses Vorhabens erschien ihm der Einstieg in das zur damaligen Zeit gerade aufblühende Steindruckhandwerk hilfreich. Nachdem letztendlich auch Vater Anton, nach fortwährender Überzeugungsarbeit der ganzen Familie, seine Vorbehalte gegen das Vorhaben aufgegeben hatte, verließ Josef 1836, im zarten Alter von 16 Jahren, den elterlichen Hof in Richtung Koblenz. | | | | | Joseph Wolf (Fotografie um 1895). | | Hier verpflichtete er sich für drei Jahre an die Lithographenanstalt der Gebrüder Becker. Obgleich ihm die dortige Arbeit die ersehnte Unabhängigkeit vom wenig kreativen väterlichen Umfeld ermöglichte, waren die Jahre in Koblenz aus künstlerischer Sicht doch vergeudete Zeit; seine Hauptaufgabe, das Erstellen von Flaschenetiketten und Weihnachtsgrußkarten, war wenig befriedigend. Nach Erfüllung seines Arbeitsvertrags verließ er Koblenz denn auch ohne Wehmut und kehrte auf den elterlichen Hof nach Mörz zurück. Auch wenn er nun nicht mehr als Vogelnarr abqualifiziert wurde, er galt zu Hause fortan als erfolgreicher Lithographenhändler, wurde die Enge des Elternhauses doch bald bedrückend. So kehrte er seinem Heimatdorf 1840 endgültig den Rücken und wanderte nach Frankfurt, dem Sitz mehrerer bekannter Lithographenwerkstätten.
Mit 20 Jahren war ihm, ohne daß er je eine ernsthafte Ausbildung genossen hatte, eine solche Kunstfertigkeit eigen, daß ihm der berühmte Ostafrikareisende und Begründer des Senckenbergischen Museums zu Frankfurt, Eduard Rüppell, den er mit seinem Skizzenbuch aufgesucht hatte, sogleich die Illustrierung der "Systematischen Übersicht der Vögel Nord-Ost-Afrikas" übertrug. Es war dies Wolfs erster wichtiger Auftrag und der Anfang einer Karriere, die letztlich sein gesamtes Lebens bestimmen sollte: als Vogelmaler. Von Rüppell weiterempfohlen an Johann Jakob Kaup, den Direktor des Darmstädter Naturhistorischen Museums, zog es Wolf in die großherzogliche Residenzstadt.
Die sich anschließenden Jahre in Darmstadt, seit jeher kreative Heimat vieler namhafter Künstler und Gelehrter, waren für ihn eine wichtige und fruchtbare Periode. In Sonderheit die Bekanntschaft zu Dr. Kaup, der ihn am Museum beschäftigte und in jeder Hinsicht unterstützte und förderte, sollte seinen Lebensweg nachhaltig beeinflussen. So ist es u.a. einem Besuch Kaups in Leiden 1843 zu verdanken, daß Hermann Schlegel auf Josef Wolf aufmerksam wurde. Kaup hatte seinem Freund und Weggefährten Wolfs Skizzenbuch vorgelegt und damit, besonders durch die Greifvogelzeichnungen, bei Hermann Schlegel reges Interesse geweckt. Schlegel, bekanntlich selbst ein nicht zu verachtender Vogeldarsteller, erkannte sofort die außerordentliche Tragweite von Wolfs Talent und beauftragte ihn mit der Anfertigung des von ihm geplanten Großfolio-Prachtwerkes über Greifvögel und Falknerei, dem "Traite de fauconnerie".
Auftragszeichnungen, wie etwa für Eduard Rüppells "Vögd Nord-Ost-Afrikas", den "Traité de fauconnerie" oder bald danach Philipp von Siebolds "Fauna japonica" und Johann und Eduard Susemihls "Abbildungen der Vögel Europas", kamen Wolf sehr gelegen. Über die Jahre hatte sich seine Begeisterung für den erlernten Beruf des Lithographen ins Gegenteil verkehrt. Die mit dem Lithographenhandwerk einhergehenden Gesundheitsschäden an Geist, Lunge und Augen ließen ihn sich nach einem neuen Betätigungsfeld umschauen. Die Auftragszeichnungen kamen ihm dabei gerade recht, waren seine Finanzmittel zu dieser Zeit doch mehr als begrenzt; wiederholt mußte er sich bei Freunden Geld leihen, um seine aufgelaufenen Schulden zu begleichen.
Im Frühjahr 1847 verließ Wolf Darmstadt, um sich als Student an der Kunstakademie in Antwerpen einzuschreiben. Die Monate in Antwerpen, wo er sein Können in der Landschaftsmalerei zu vertiefen suchte, gaben ihm jedoch nur wenig Befriedigung. Wiederum war es Kaup, der seinen weiteren Lebensweg unmittelbar beeinflußte. Anläßlich einer Ornithologentagung in London hatte er Wolf an den Verleger John Gould empfohlen, der ihn sogleich mit einem kleinen Vogelaquarell beauftragte, und auch David D. Mitchell, der Sekretär der Zoologischen Gesellschaft zu London, zeigte Interesse an einer Zusammenarbeit. Wolf jedoch lehnte die Angebote aus England lapidar ab; er wollte zuerst seine akademischen Studien in Antwerpen beenden.Wenige Monate später war die Situation dann eine andere: die sich anbahnenden Unruhen auf dem Festland, Vorläufer der bürgerlichen Revolution von 1848, ließen ihn seine ablehnende Haltung überdenken. Dem innenpolitisch wie gesellschaftlich stabilen London, seinerzeit Zentrum der zoologischen Ikonographie, hatte das durch die Revolutionswirren zunehmend erschütterte Antwerpen nichts mehr entgegenzusetzen. Und so kam Wolf im Februar 1848 in die englische Hauptstadt, wo er sogleich im Britischen Museum mit der Arbeit an George R. Grays "The Genera of Birds" begann.
Mit 28 Jahren befand sich der Bauernsohn aus Mörz auf der stolzen Höhe seines Könnens. Er arbeitete am damals bedeutendsten wissenschaftlichen Zentrum der Welt und schon bald waren erste Werke in der Royal Academy zu sehen. Wenngleich die meisten seiner Bilder vom Kunstestablishment mit negativen Kritiken belegt wurden - man konnte seiner dokumentarischen, detaillversessenen, zu offensichtlich lebenswahren Darstellungsweise wenig Künstlerisches abgewinnen - war sein Siegeszug auf der Insel nicht mehr zu stoppen. Wohlhabende Landbesitzer, Geschäftsleute und Politiker baten ihn um Tier- und Landschaftsgemälde, bedeutende Naturforscher, wie David Livingstone und Charles Darwin, kamen in seine Atelier in Howland Street No. 17, und auch prominente Mitglieder der hohen Gesellschaft suchten seine Bekanntschaft. Lord Delby zum Beispiel, ein begeisterter Tier- und Vogelsammler, öffnete ihm seine Menagerie auf Knowsly Hall bei Liverpool, der Herzog von Westminster lud ihn nach West Sutherlandshire ein und Lord Tweedmouth bat ihn nach Iverness-Shire.
Obschon aus diesen Kontakten oft zahlreiche Aufträge resultierten, waren Wolfs Einnahmen als Öl- und Aquarellmaler noch zu unregelmäßig und zu gering, um die Ausgaben für seinen mittlerweile gehobenen Lebensstandard zu decken. Er war auf weitere Brotarbeit angewiesen. Diese stellten lithographische Drucke zur Illustrierung naturhistorischer, vor allem ornithologischer Werke dar. Einen breiten Platz in seinem künstlerischen Oeuvre nehmen denn auch Beiträge zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen, zumeist zoologischen Erstbeschreibungen ein. In den "Proceedings und Transactions" der Zoologischen Gesellschaft zu London sowie den Zeitschriften "The Ibis" und "The Field" zeugen mehrere hundert Zeichnungen von seiner meisterlichen Gabe, aus "toten" Stopfpräparaten oder Federbälgen, "lebendige" Kunstwerke voll innerer Spannung, Lebenskraft und natürlicher Bewegung zu erschaffen. Ermöglicht hat ihm dies, neben seinem künstlerischen Genie, sein profundes Wissen über die Anatomie und über das Verhalten der Tiere und der Vögel. Mit seinen "wissenschaftlichen Kunstwerken" von zuvor nicht gekannter Originalität setzte er neue Maßstäbe in der zoologischen Bilddarstellung. Bereits 1860, er hatte gerade seine neuen Atelierräume in 59 Berners Street bezogen, galt er denn auch als konkurrenzlos auf seinem Gebiet. Aus Unmut über das geringe Verständnis, das die meisten Naturforscher seinen Leistungen entgegenbrachten, für sie war er zu sehr Künstler, als daß er Zeichnungen liefern konnte, wie sie - die sogenannten Gelehrten - sie wollten, zog er sich nach und nach von der wissenschaftlichen Malerei zurück.
Fortan führte er ein zufriedenes, von zahlreichen Aufträgen erfülltes freies Künstlerdasein. Wann immer ihm die Zeit blieb, besuchte er den Zoologischen Garten in Regent's Park, für ihn stets Hort kreativer Inspiration, und beobachtete und zeichnete die verschiedensten Tier- und Vogelspezies nach der Natur. Es resultierten aus diesen Besuchen die in den Jahren 1861 und 1867 von Philip L. Sclater herausgegebenen, je 50 Skizzen umfassenden "Zoological Sketches by Joseph Wolf" sowie sein 1873 fertiggestelltes "Life and habits of wild animals". Unzählige weitere Kunstwerke dokumentieren seinen Schaffensdrang in dieser Zeit. Von seinen vielen Beiträgen zu Reiseberichten, Gedichtsbänden, -büchern und zoologischen Monographien seien exemplarisch die zu Daniel G. Elliots "Phasianidae" (1872), "Parasideidae" (1873) und "Felidae" (1883), John Goulds "The Birds of Great Britain" (1873) und Henry E. Dressers "A History of the Birds of Europe" (1879) genannt.
Nicht minder zahlreich als sein lithographischer Nachlaß ist Wolfs Hinterlassenschaft an Ölgemälden, Aquarellen und Kohlezeichnungen. Es waren diese Kunstwerke nach denen er von der Nachwelt beurteilt werden wollte (Umso erfreulicher ist es, daß es mit dieser Ausstellung und dem prächtigen Katalog endlich [erstmals] gelungen ist, sein Können in einer umfassenden Publikation dar- und vor einem größeren Publikum ausgestellt zu wissen). Zu seinen liebsten Werken zählte er selbst - wie sollte es anders sein - zwei Falkengemälde: das 1856 in Öl gemalte "Jerfalcons and Kite" (Kite Hawking) und das 1875 für Henry Dresser gefertigte Aquarell "Artic summer", ein in der Farbigkeit und Schattierung seinerzeit unerreichtes Stilleben weißer Gerfalken in arktischer Gletscherlandschaft.
Noch zu Lebzeiten wurde Wolf in seiner englischen Wahlheimat als "the greatest of all animal painters" gefeiert. Der berühmte Maler Sir Edwin Landseer pflegte über ihn zu sagen: "Wolf must have been a bird before he became a man". Doch trotz dieser anerkennenden Worte und vieler Auszeichnungen blieb Wolf in seinen Tugenden und seinen Gewohnheiten zeitlebens der Bauernsohn aus Mörz: bescheiden und zurückhaltend, geradlinig und ohne Hang zur Selbstdarstellung und Extravaganz. Ehrungen waren ihm ebenso ein Last wie große Gesellschaften ein Übel. Er verachtete jegliche Form aristokratischen Getues, lieber suchte er das persönliche Gespräch mit befreundeten Künstlern und Naturalisten. Am wohlsten fühlte er sich - abgesehen unter freiem Himmel - in den vier Wänden seines Ateliers. Hier genoß er die Ruhe, hier fand er kreative Erfüllung, hier schöpfte er selbst im hohen Alter noch Kraft für künstlerisches Arbeiten. Josef Wolf starb kinderlos am 20. April 1899 in London (nach PALMER, The Life of Joseph Wolf, London und New York 1895). | | Datum der Veröffentlichung: 23. März 2001 | | | |
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