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| | | | | | Schloß Falkenlust: Ein Jagdschloß der besonderen Art (links). Rechts: Blick vom Vestibül in den Salon und ins Treppenhaus. | | Im Mai 1734 war es endlich soweit. In der fünfjährigen Bauzeit war nach den Plänen des Münchener Hofbaumeisters Cuvillies ein "maison de plaisance" entstanden, das den höchsten Ansprüche des Bauherren genügte; einerseits als Schauplatz für den gesellschaftlichen Rahmen um das Beizjagdgeschehen, andererseits als Ort galanter Begegnungen in höfischer Abgeschiedenheit. Das zweigeschossige Hauptgebäude diente dem Aufenthalt des Kurfürsten und einem seiner bevorzugten Jagdgäste, die beiden zur "cour du chateau" vorgelagerten Flügelbauten dagegen waren nach den Erfordernissen der Beizjagd gestaltet und eingerichtet. Der nördliche Baukörper diente den Beizvögeln und Falknerpferden als Unterkunft. In den Räumen des westlichen und südlichen Trakts wohnten und schliefen die Falkner. Zu ihrer Blütezeit bestand die kurkölnische Falknerei aus einem Obristfalkenmeister, drei Falkenmeistern, sechs Falknerknechten, fünf Falkenjungen, zwei Stallknechten und etwa 50 Falken. Dies verursachte jährliche Kosten von 10.000 Reichthaler. Dies bedeutete eine erhebliche Summe, zumal die Gesamtkosten für den Bau von Falkenlust nochmals 55.000 Reichsthaler betrugen.
Die Anlage von Falkenlust war aus beizjagdlich-praktischen Erwägungen trefflich gewählt. Sie bot freien Ausritt in die Rheinebene und lag genau in der Passage der Reiher zwischen ihren Horsten im Schloßpark von Augustusburg und dem Altrheingebiet bei Wesseling. Früh morgens auf ihrem Weg zu den Fischgründen am Rhein und allabendlich auf der Passage zurück zur Kolonie, mußten die Reiher die Ebene um Falkenlust überfliegen. Hier warteten dann die Falkner des Kurfürsten, um ihre Falken gegen die hoch anstreichenden Reiher zu werfen. Dieses Arrangement, typisch für alle mittelalterlichen Reiherbeizjagden, bot der hohen Jagdgesellschaft die Möglichkeit, ohne große Anstrengung das Schauspiel der Falkenjagd zu verfolgen. Das Wild, die Reiher, brauchten nicht gesucht zu werden, sie kamen nach und nach ganz von selbst auf ihrer Passage an der Jagdgesellschaft vorbei. | | | | | Einer von drei Räumen der neuen Falknereiausstellung (links) und ihr Macher: Dr. Alfred Beckers (rechts). | | Die Zeit der Reiherbeize waren die Monate Mai und Juni. Alltäglich - ausgenommen an Sonn- und Feiertagen - versammelte man sich am frühen Nachmittag auf Falkenlust und erwartete die Rückkehr der Reiher. Zum Zeitvertreib wurde gespielt oder sich in gepflegter Atmosphäre unterhalten. Wurden die ersten Reiher gemeldet, ging es in Kabriolett-Kutschen, zu Pferd oder zu Fuß durch das Tor der "avant-cours" hinaus in die Brachflächen der benachbarten Rheinebene, um dem Kampf zwischen Falken und Reiher so nah wie möglich beizuwohnen. An einem guten Tag waren es zwischen drei und fünf Reiher, die von den Falken zu Boden gebracht wurden; insgesamt zumeist um die 120 pro Saison. Im Gegensatz zu anderen Jagd- und Beizjagdarten, war man bei der Reiherbeize darauf bedacht, die Reiher von den Falken nicht töten zu lassen, wie überhaupt die Faszination der Reiherbeize nicht von der Jagdstrecke, sondern dem spannenden Schauspiel des Luftkampfes ausging. Die gebeizten Reiher wurden mit einer goldenen Plakette versehen und wieder frei gelassen. Es erhöhte das "Amusement", wenn nach Jahren ein bereits markierter Reiher neuerlich zur Strecke kam. Die besondere Lage von Falkenlust machte es zudem möglich, daß die Damen und Herren des Hofes, die nicht in die Ebene mitreiten wollten, den Luftkampf vom Belvedere des Schlosses aus beobachten konnten.
Das Interieur von Falkenlust offenbart allerorten die falknerische Vergangenheit des Schlosses. Schon beim Eintritt in den Vestibül wird man von lebensgroßen Statuen von Nymphen als Falkenjägerinnen und Satyrn als Beschützer der Reiher empfangen. Den unteren Salon, in dem sich die Jagdgesellschaft mittäglich versammelte, zieren große Wandgemälde mit Ganz- oder Halbfigurenporträts von Mitgliedern der Wittelsbacher Familie, alle in der am Kölner Hof vorgeschriebenen blausilbernen Falkenjagdlivree. Die Stuckdecke im Salon zeigt dazu Motive des falknerischen Alltags und der Reiherbeizjagd. In dem sich anschließenden Speisezimmer findet man den Bruder von Clemens August, Kurfürst Karl Albrecht, den späteren Kaiser Karl VII., und über der Tür Baron von Nagel als Falkenjäger porträtiert. Im gegenüberliegenden Schlafzimmer hängen zwei wunderschöne Islandfalkenporträts. Regelmäßig erhielt Clemens August diese kostbaren Falken als Geschenk vom dänischen König übersandt. Einzigartig an Schloß Falkenlust ist das Treppenhaus. Die Wände sind bis unter die Decke mit etwa 10.000 weiß-blauen Bildfliesen besetzt, auf denen in geometrischer Anordnung zum einen die Teilnehmer der Beizjagden, Falkoniere zu Pferd, Falkenknechte zu Fuß mit der Falkentrage und Damen als Zuschauer, dargestellt sind, zum anderen Falken und Reiher, letztere am Horst, beim Fischfang und beim Kampf mit den Falken. Das zweiseitig ins Treppenhaus einfallende Licht strahlt von den hellen Fliesen so intensiv zurück, daß auch die Falkenjagdszenen der Deckenmalerei erleuchtet werden.
| | | | | Falknerknecht mit Cadge auf einer Fliese des Treppenhauses (links) ... und im Model (rechts). | | Nicht mehr im Originalzustand sind die eingeschossigen Vorbauten von Falkenlust. Dennoch bietet der nördliche Trakt, der einstmals die eigentliche Falknerei beherbergte, heute ein ganz besonderes Bonbon für den falknereihistorisch interessierten Besucher. Durch das unermütliche Wirken von Dr. Alfred Beckers, dem großen Kenner der kurkölnischen Falknerei und langjährigen Vorsitzenden des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen im Deutschen Falkenorden, ist hier über die vergangenen 25 Jahre eine Falknereiausstellung entstanden, die in Deutschland ihresgleichen sucht. In drei Räumen findet man die kurkölnische Falknereigeschichte würdig und sehr informativ repräsentiert. Ein Modell von Falkenlust vermittelt einen Gesamteindruck der Schloßanlage, und viele Gemälde, Schautafeln und Vitrinen gewähren Einblicke in Details des mittelalterlichen Falkneralltages. Höhepunkt der neugestalteten Ausstellung ist seit einigen Monaten die nachgestellte Falkenkammer mit Falkenpräparaten auf der hohen Reck und einem Falkner in der für Köln typischen blau-weißen Falkenjagduniform.
Nach dem Tod Clemens Augusts im Jahr 1761 waren die Tage der großen Falkenjagden in Brühl vorüber. Sein Nachfolger im Amt des Kölner Erzbischofs konnte der Falkenjagd, wie der Jagd überhaupt, keine Lust mehr abgewinnen. Nach dem Eindringen französischer Revolutionstruppen ins Rheinland fiel Falkenlust 1805 an die Senatorie Poitiers. Danach wechselte das Schloß verschiedentlich den Besitzer, ehe es 1832 für 12.000 Taler in den Besitz der Kaufmannsfamilie Giesler gelangte. Es blieb in dessen Familienbesitz, bis es 1957 vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen und für viel Geld restauriert wurde.
Heute ist Schloß Falkenlust Teil des Weltkulturerbes Schloß Augustusburg und nicht zuletzt Dank der langjährigen kompetenten Bemühungen von Dr. Alfred Beckers wieder ein Repräsentationsobjekt der Falknerei in Deutschland. Für den kulturhistorisch interessierten Falkner ist die Schloßanlage Brühl in jeder Hinsicht ein Reise wert.
Weiterführende Literatur: BECKERS, Die kurkölnische Falknerei unter Clemens August. In: Zehnder u. Schäfke, Der Riss im Himmel, Bd. III, Köln 1999, 247-270. HANSMANN, Schloß Falkenlust, Köln 1973. HANSMANN, Das Jagdschloß Falkenlust zu Brühl, Rheinische Kunststätten, Heft 149, Köln 1990. HANSMANN, Falkenjagd vor Schloß Falkenlust, Jahrbuch d. Rheinischen Denkmalpflege, Bd. 38, 1999, 31-44. | | Datum der Veröffentlichung: 27. Juni 2000 | | | |
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