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| | | | | Das Falkner-Denkmal gegenüber dem Marktplatz von Valkenswaard (links). | | Doch zunächst ein Blick zurück in die Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts: Inmitten schier endlos weiter Heide liegt verträumt ein kleines Dorf. Nur ein paar Hecken und Kieferngehölze versperren den Blick in das umliegende flache Brabanter Land. Die kaum zweihundert Häuser erstrecken sich um den Marktplatz, die prominent denselben überragende Kirche und entlang der Furt nach Leenden im Osten und Eindhoven im Norden. Es ist ein unscheinbares Dorf, dessen wenig poetischer Name Varkenswaard (nl. varken=Schwein; Schweinedorf) sich von dem großen Schweinemarkt ableitet, der hier jedes Jahr abgehalten wird. An fast allen Fürstenhöfen des Abendlandes kennt man das Dorf zu dieser Zeit aber bereits unter einem anderen Namen: village des fauconniers (Dorf der Falkner), eine Namensumwandlung, die sich bis Mitte des 18. Jahrhunderts als Valkenswaard (Falkendorf) offiziell durchsetzt.
Schon seit dem 13. Jahrhundert hatte sich in der Region Brabant eine Traditon des Falkenfangs etabliert. Günstig, inmitten der Zugstraße der nord- und nordosteuropäischen Wanderfalken gelegen, entwickelte sich die Falkenfängerei (und damit einhergehend das Berufsfalknertum) mit der Renaissance der höfischen Falknerei im 16. und 17. Jahrhundert zu einer wahren Handwerkszunft. Ab etwa Mitte des 17. Jahrhunderts waren die Falknereien nahezu aller europäischen Herrscherhäuser, bis hinunter an den marokkanischen Kaiserhof, fest in holländischer Falknerhand. Namen wie Verbrugge, Verhoeven, Booms, Bijnem, Daems, Bekkers, Danckers, Smulders oder Goosens stehen für diese Handwerkskunst, die zumeist vom Vater an den Sohn oder innerhalb der Familien weitergegeben wurde. Mit den Anstellungen an den Fürstenhöfen wuchs bald auch der Wohlstand der Falkner und Falkenfänger, zeigten sich die Herrscher doch selten kleinlich, wenn ihnen ein schöner und seltener Vogel überbracht oder kurzweiliges Federspiel geboten wurde.
Alljährlich im Herbst kehrten die Falkner aus ganz Europa nach Valkenswaard zurück, um in den ausgedehnten Heidegebieten ihrer Heimat Falken zu fangen und abzutragen. Durch die günstige Lage inmitten der Zugstraße war der Falkenfang um Valkenswaard besonders ergiebig. Bei den gefangenen Vögeln handelte es sich oft um die begehrten nordischen Wanderfalken, die durch ihre Größe, ihre Schönheit und ihren Mut bei der Reiherbeize gefielen, hin und wieder sogar um einen Gerfalken. Das Fangen („Toppen“) war über die Jahrhunderte perfektioniert worden. Eine ausgeklügelte Apparatur mit Raubwürgern, mehreren Locktauben, einem zahmen Lockfalken und Schlagnetzen, die sich vom Versteck des Fängers, der sogenannten Topphütte, aus bedienen ließen, garantierten regelmäßigen Fangerfolg. Für einen geduldigen Fänger waren 30 Falken in einem Herbst keine ungewöhnliche „Strecke“.
Der Falkenfang war ein lohnendes Geschäft. Für seinen Fänger war jeder Falke, je nach Größe, Besonderheit und Zustand des Gefieders, zwischen 5 und 10 Gulden wert. Wenn man weiß, daß für ein ortsübliches Haus in dieser Zeit 300 Gulden gezahlt werden mußten, wird die Verhältnismäßigkeit überdeutlich. Der Falkenfang brachte Reichtum und Unabhängigkeit. Zur Blütezeit lebten nicht weniger als 30 Falkenmeister im Dorf, deren jährliche Ausgaben sich auf 100.000 Gulden beliefen. Der Falkenfang war eine kleine Industrie. Die viele gefangenen Falken mußten betreut und geatzt und Falkenzeug hergestellt werden. Viele Bauern und Nichtfalkner der Region ermöglichte der Falkenfang im Herbst ein lukratives Zubrot als Fänger, Cadgeträger oder Hilfsfalkner. Die Falkner selbst wurden zu Haus- und Grundbesitzern. Zur Ruhe gesetzt, betrieben einige Ackerbau auf eigenem Land, andere bewirtschafteten die Gaststätten im Dorf. Nicht wenige erhielten zudem eine Altersgeld von ihrem Fürsten für lange treue Dienste. | | | | | Ein Blick in die Wohnstube eines Falknerhaushalts (18. Jhdt.). Ein Blick in den hinteren Teil des Museum-Rundgangs (rechts). | | Mit dem Niedergang der höfischen Falknerei gegen Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich das Bild schlagartig. Die Falkner und Falkenfänger wurden nicht mehr gebraucht, und mit ihnen verschwanden auch die Topphütten aus der Heide. Eine letzte Renaissance erlebte die Falknerei noch einmal zur Zeit des Royal Loo Hawking-Clubs zwischen 1839 und 1855. Damit untrennbar verbunden sind die Namen der Valkenswaarder Jan Bots und Adriaan Mollen. Der letzte Falkenfänger und Falkenzeugmacher in Valkenswaard war bis 1925 Karl Mollen. Mit seinem Tod 1937 wurde auch die jahrhundertealte holländische Falknertradition zu Grabe getragen.
Über die lange Zeit seitdem gingen die glorreichen Falknerjahre in Valkenswaard fast vergessen. Daß man sich ihrer heute wieder erinnert, ist vor allem einer Person zu verdanken: dem Falkner und Mitglied des holländischen Falknerverbandes „Adriaan Mollen“ Jac. van Gerven. Bereits 1967 begann er die Bedeutung der Falknerei für die Geschichte seiner Heimatstadt zu erforschen. Es resultierte daraus 1976 die Gründung einer Museumsgesellschaft (Stichtung Museum Valkenswaard) und nach weiteren 10 Jahren, am 25. Januar 1986, die Eröffnung des „Cultuurhistorisch Museum“ (vereinigtes Falknerei- und Zigarrenmuseum). Nach neun Jahren im beengten Haus am Markt 17, gegenüber der Falknerbronze, bezog das Museum im Juni 2001 seine neuen (und wohl endgültigen) Räumlichkeiten im „Cultureel Centrum Carolus“ in der Oranje-Nassau-Straat 8b (unweit des Stadtzentrums in Richtung Eindhoven gelegen).
In großzügigen Räumen, auf 650 qm, findet sich die Falknerei hier würdig repräsentiert. Nach einer kurzen Dia-Show (mit englischem Begleittext) als Einführung über das Wesen und die allgemeine Geschichte der Falknerei, führt ein Rundgang durch die Ausstellung. Besonders eindrucksvoll sind dabei gleich zu Anfang die Originalnachbauten früherer Wohnräume der Falkner und einer Falkenkammer. Akustisch unterlegt mit englischem Text, bieten sie einen eindrucksvollen Blick in das Alltagsleben der Falkner des 17. und 18. Jahrhunderts. In den vorderen Räumen findet sich zudem eine Replik der „Falcoaria“ in Salvaterra de Magos, Portugal, wo von 1730 bis 1806 Valkenswaarder Falkner Dienst taten. Die zweite Hälfte des Rundgangs ist der Geschichte des Royal Loo Hawking Clubs und dem hohen Flug auf den Reiher gewidmet, den die holländischen Falkner allenthalben in Europa prägten. Duplikate der berühmten Aquarelle von Johann Sonderland veranschaulichen das tägliche Treiben der RLHC-Mitglieder rund um die Reiherbeizen in der Sörenser Heide unweit Apeldoorn.
Wir hatten das Glück, auf unserem Rundgang durch das Museum von Jac. van Gerven selbst begleitet zu werden. Er hatte viele Geschichten rund um die Valkenswaarder Falknerei zu erzählen, so auch, daß es noch einige der alten Fangplätze samt Topphütten gäbe und er viele Gespräche mit der Nichte Karl Mollens über die alten Tage geführt habe. Seinen Hinweis, doch einmal zum alten Wohnhaus von Adriaan Mollen zu fahren, sind wir natürlich gefolgt. Ein beschaulisches Haus, und für uns ein komisches Gefühl zu wissen, daß durch die vor uns liegende Tür vor 150 Jahren der wohl berühmteste Falkner des 19. Jahrhunderts täglich aus- und einging. Wir fragen uns, wie viele Falken er wohl durch die Tür in den kleinen Garten getragen haben mag. Es fällt schwer, die Geschichte zu begreifen, die so real vor einem zu liegen scheint und die doch so unendlich fern ist. | | | | | Das Wohnhaus (im Bild mittig) von Adriaan Mollen (links). Mancher Straßenname erinnert heute an die alte Falknertradition. | | Eine Fahrt wert ist auch das neue „Falknerviertel“, ein Neubaugebiet südöstlich des Marktplatzes, in dem alle Straßennamen falknerischer Terminologie folgen. Man befährt z.B. De Huif, De Hagard, De Slechtvalk, Geervalk, Havik, Lannervalk, De Lentenier, De Langveter oder die Karl-Mollen-Straat. Eine der Hauptverkehrsstraßen im Zentrum von Valkenswaard ist übrigens die Valkenierstraat. Wer indes nach „echten“ Relikten der langen Falknertradition im modernen Valkenswaard sucht, der wird enttäuscht sein. Außer dem „Hotel zum Falken“ und manch anderer, vergleichbarer Namensgebung hat rein äußerlich nichts die zwei Jahrhunderte seit dem Niedergang der großen Falkenfänger- und Berufsfalknerkultur in Valkenswaard überlebt. Hinter den Mauern der Häuser indes sieht es anders aus. Viele der ansässigen Daems, Bekkers und Danckers stammen noch direkt von den alten Falknergeschlechtern ab. Und manche Familie wird noch einen kleinen Schatz (aus Sicht des Falknereihistorikes) in ihrem Besitz haben. Wie z.B. die 101jährige Nichte von Karl Mollen, die sorgsam das Adreßbuch ihres Onkels mit 480 Einträgen aus den Jahren 1880 bis 1925 - ein echtes „Who's Who“ der Falknerei des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts - aufbewahrt.
Es bleibt zu hoffen, daß diese und manch andere, vielleicht noch verborgene Kostbarkeit alsbald ihren Weg ins Valkerij-Museum findet. Doch schon heute ist das Museum eine Reise wert. Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 13-17 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 2 Euro pro Person, darin enthalten ist eine kostenlose Führung durch die Ausstellung. Wer mehr Informationen sucht, findet diese unter www.valkerijmuseum.nl. | | Datum der Veröffentlichung: 13. August 2002 | | | |
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