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Biologische Grundlagen des Abtragens I |
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Das Abtragen von Greifvögeln zur Jagd gilt seit jeher als eine besondere Kunst. Im Mittelalter galt der Falkner denn auch als Künstler und nicht als Jäger. Gleichwohl ist Falknerei nichts anderes als eine spezielle Form von Tierdressur, wenn auch eine schwierige und komplexe, da ein Wildtier trainiert wird. Die biologischen Grundlagen sind jedoch dieselben.
Die Erkenntnisse der modernen Verhaltensforschung haben unser Wissen über das Verhalten von Tieren (und Greifvögeln) in den letzten Jahren wesentlich verbessert; das Abtragen, Einjagen und die Beizjagd als solche sind transparenter geworden. Im folgenden seien einige der grundlegenden Zusammenhänge dargelegt.
Motivation Jeder Handlung, jedem Tun liegt eine Motivation zugrunde. Dies ist bei Tieren nicht anders als beim Menschen und gilt sowohl für ererbte (angeborene) wie erworbene (erlernte) Verhaltensweisen. Um einen Greifvogel zu Handlungen zu bewegen (zu konditionieren), die im Sinne der falknerischen Praxis sinnvoll sind, also für die notwendigen Lernvörgänge während des Abtragens und Einjagens, muß der Greifvogel motivert werden.
Die primäre Motivationsgrundlage für alle Lernvorgänge während des Abtragens ist das natürliche Hungerempfinden des Greifvogels, das wichtigste Hilfsmittel in der Wechselbeziehung zwischen Falkner und Beizvogel die Atzung (positiver Verstärker).
Über die Atzung und zwar nur (!) über die Atzung, sei es in Form eines fleischigen Fauststücks, eines mit Fleisch bestückten Federspiels oder später im Jagdbetrieb in Form des lebenden Wildes, ist es dem Falkner möglich, mit seinem Greifvogel zu kommunizieren. Anders als z.B. beim Hund ist eine Einflußnahme durch eine drohende Stimme oder Körperkontakt bei Greifvögeln nicht möglich (negative Verstärkung); ebenso nicht komplexe Reglementierungen, z.B. durch Entzug von Sozialkontakten oder Zwangsmaßnahmen. Die Atzung ist tatsächlich die einzige direkte Motivationshilfe, die der Falkner anfänglich im Umgang mit seinem Greifvogel zur Verfügung hat (später kommen sekundäre Verstärker hinzu). Dem überlegten und geschickt dosierten Einsatz der Atzung kommt daher eine fundamentale Rolle beim Abtragen zu.
Das Lernen am Erfolg - Grundlage des Abtragens
Das Abtragen basiert auf dem Lernprinzip der "operanten Konditionierung". Eine gewünschte Handlung des Beizvogels wird durch regelmäßige Belohnung gefördert, in der falknerischen Praxis zum Beispiel das Springen des Beizvogels auf die Faust oder das Anjagen einer gewünschten Beute; andere, nicht sinnvolle oder kontraproduktive Handlungen werden dagegen nicht belohnt, z.B. das Abspringen vom Sprenkel beim Herantreten des Falkners oder das Abstellen auf einem Strommast. Durch regelmäßiges Wiederholen und konsequentes und gezieltes Verstärken (Belohnen) gewünschter Verhaltensweisen lernt der Beizvogel, diese Handlungen freudig und ohne Zwang auszuführen, andere, unerwünschte Handlungen dagegen zu vermeiden, da sie ohne Belohnung bleiben. Greifvögel gehen als Endglieder der Nahrungskette natürlicherweise den Weg des geringsten Widerstandes, insofern wählen sie stets und schnell den für sie günstigsten bzw. einfachsten Weg an ein Ziel, in diesem Fall die Atzung, zu gelangen.
Erfolgsgrundlage der operanten Konditionierung und damit des Abtragens ist die regelmäßige Verknüpfung einer Belohnung (eines positiven Verstärkers) mit einer bestimmten Handlung (Übung). Konsequent durchgeführt, erwartet der Beizvogel bald die Interaktion mit dem Falkner, später im Jagdgeschehen auch mit dem Vogelhund, um die damit verbundene Belohnung zu erhalten.
Primäre und sekundäre Verstärker
Die Theorie der operanten Konditionierung kennt positive und negative Verstärker. Erstere erhöhen, wenn sie einer Situation zugeführt werden, die Häufigkeit einer ausgeführten Handlung, z.B. die bestückte Faust das Beireiten des Vogels. Letztere verringern die Auftretenswahrscheinlichkeit bzw. wirken erhöhend, wenn sie entfernt werden. Sie sind ebenso wie Bestrafungen keine Hilfsmittel des Falkners, spielen beim Abtragen aber gleichwohl eine bedeutende Rolle. Alle Störfaktoren sind negative Verstärker. So wird z.B. ein vorbeifahrendes Auto einen noch scheuen Greifvogel am Beireiten hindern. Die einzige Form von „Bestrafung“, die der Falkner zur Verfügung hat, ist, keine Belohung zu gewähren. Dieses Prinzip zu verstehen ist von kardinaler Bedeutung!
Als primär positiver Verstärker ist die Atzung das wichtigste, aber nicht einzige Hilfsmittel des Falkners. Nach dem Prinzip der klassischen Konditionierung lassen sich weitere, sogenannte sekundäre Signale (Reize) mit dem primären Verstärker „Atzung“ verknüpfen. Dies macht sich der Falkner in der Praxis beim Gebrauch des Federspiels und der Pfeife zunutze. Durch wiederholtes Verknüpfen dieser sekundären Reize mit dem primären Verstärker Atzung werden diese selbst zu Handlungsverstärkern (konditionierte oder sekundäre Verstärker). Der Beizvogel assoziiert sehr bald das geschwungene Federspiel oder den Pfiff mit der ausgeführten Handlung, im Fallbeispiel dem Beireiten, und der sich anschließenden Sättigung (Belohnung). Konsequent trainiert reicht bald nur noch der Pfiff oder das geschwungene Federspiel, um dem Beizvogel mitzuteilen, was man von ihm möchte, nämlich, daß er beireitet. Atzung ist dazu nicht mehr oder nur noch zur Auffrischung der Verknüpfung notwendig.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß das Federspiel (ebenso wie übrigens der Balg) keine Beuteattrappe darstellt. Es ist vielmehr ein Kommunikationsmittel, dessen Form und Farbe gänzlich unbedeutend ist für die Kommunikation zwischen Falkner und Vogel. Entsprechend irrig ist die Annahme, man könnte durch das Anbringen von entsprechenden Federn den Beizvogel auf eine gewünschte Beute "prägen".
Weitere, weniger augenfällige sekundäre positive Verstärker aus der täglichen Falknerpraxis sind z.B. die Waage und die Transportkiste, deren Gebrauch der Beizvogel sehr schnell mit der bevorstehenden Jagd zu verbinden lernt, oder der vorstehende Hund, der dem erfahrenen Anwartefalken signalisiert, daß gleich Wild und damit letztlich Belohnung in Form von Sättigung zu erwarten ist. Der Falke wird punktgenauer anwarten, als wenn kein Hund vorstehen würde.
Biologische Grundlagen des Abtragens II | | | |
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Letztes Update - 23.05.2018 |
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