Wir leben in einer Zeit, in der es viele legale Greifvögel für Falkner zu kaufen gibt; die Versuchung zum Erwerb ist also groß. Gleichzeitig werden die Reviere kleiner und das Wildvorkommen geringer. Diese gegenläufige Entwicklung ist problematisch für jeden einzelnen Falkner und birgt Gefahren für die Falknerei in ihrer Gesamtheit. So sehr auch der große Interessenzuwachs, den die Falknerei seit einigen Jahren erlebt, erfreulich ist, die Qualität der praktischen Falknerei darf darunter nicht leiden. Greifvogelhaltung des reinen Haltens wegen oder Schönfliegerei auf das Federspiel mag für den Einzelnen belustigend sein, für die Falknergemeinschaft insgesamt bedeutet sie einen gefährlichen Rückschritt in längst überkommen geglaubte Zeiten. Die deutsche Falknerei ist seit jeher eng in das Jagdwesen eingebunden, und nur hier hat sie eine Zukunft. Jeder Falkner sollte sich daher als Beizjäger verstehen und sich einen Greifvogel nur dann aufstellen, wenn er die genannten Voraussetzungen für die Jagdausübung geschaffen hat.
Zuweilen wird argumentiert, daß die Greifvogelhaltung in Menschenhand per se rechtlich nicht an eine mit ihr einhergehende Jagdausübung geknüpft ist. Das stimmt. Und daß man einen Greifvogel ja nicht unbedingt an Wild bringen müsse, um ihn art- und verhaltensgerecht zu halten. Das stimmt auch. Und auch könne man z.B. einen Falken viel ausdauernder auf das Federspiel oder den Drachen trainieren, als durch einen kurzen Anwarteflug. Alles richtig, und doch argumentiert so nur der Greifvogelhalter, nicht der Falkner. Der Falkner ist ein Beizjäger, der im gemeinsamen Jagen (Betonung auf Jagen) mit Vogel und Hund seine Erfüllung sucht und sie - der eine mehr, der andere weniger - auch findet. Es ist das Eingebundensein in natürliche Abläufe, das Erleben des Wechselspiels der Kräfte zwischen Jäger und Gejagtem, die den Falkner jeden Tag aufs Neue fasziniert und umtreibt. Und es ist die Jagdausübung, der erfolgreiche Beuteflug, der einen Beizvogel zu einem verläßlichen Partner des Menschen bei der Jagd werden läßt. Ohne Wild jedoch bleibt dieses Verlangen unbefriedigt, bei Mensch, Vogel und Hund gleichermaßen. Der Greifvogelhalter kennt dieses Erlebnis nicht. Würde er es kennen, würde er anders argumentieren und danach streben, seinen Vogel nicht aufs Federspiel oder in der freien Folge, sondern auf Wild zu fliegen.
Fortsetzung
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